Folgender Aufsatz macht darauf aufmerksam, wie Oberursel vergleichsweise viel mit dem übrigen Hochtaunuskreis und vergleichsweise wenig mit Frankfurt zusammenhängt, wenn man es arbeitsmarktlich betrachtet. Der Aufsatz ist Mitte Dezember 2014 in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel (Taunus) e.V. erschienen und zwar im Heft 53/2014, ISSN 0342-2879. Das Heft ist gegen eine Schutzgebühr in der Buchhandlung Libra in Oberursel erhältlich.
Sieht man die in letzter Zeit publizierten Hefte mit Berufspendlerzahlen der Rhein-Main-Region, so bekommt man den Eindruck, alle Orte seien auf Frankfurt ausgerichtet. Nicht nur in den dort aufgeführten absoluten Zahlen der Pendler dominiert diese Großstadt. Auch wenn Oberursels Einpendlerströme als Anteil an den Beschäftigten Oberursels gemessen werden, hat sie das größte Gewicht. Zur Unterstreichung der Bedeutung von Investitionen in die Verkehrswege ist das richtig und legitim. Aber es wird damit auch unterschwellig oder offen suggeriert, große Berufspendlerzahlen bewiesen eine engere Zusammengehörigkeit von Kommunen als kleine. Stutzig machen muß schon die noch größere Pendlermenge zwischen Oberursel und dem Gesamt-„Umland“ von Frankfurt. Gehört dieses Umland deshalb pendlermäßig mehr mit Oberursel zusammen als mit Frankfurt?
Zweckmäßigerweise ist bei arbeitsmarktlichen Verflechtungsstärken, die dem Vergleich dienen, die Summe der im wechselnden Vergleichsgebiet (Relationsort) wohnenden und der dort arbeitenden Erwerbstätigen zu berücksichtigen. Das führt zu der Rechenformel
Z = (Auspendlerstrom plus Einpendlerstrom, jeweils von Oberursel) mal 100, dividiert durch (wohnende Erwerbstätige plus arbeitende Erwerbstätige, jeweils im Relationsort)
In ihr steht Z für Oberursels Zusammengehörigkeit mit dem ausgewählten Relationsort.
Exkurs zur Genauigkeit der Zahlen: Die Erwerbstätigen und ihre Pendlereigenschaft sind mit der Arbeitsagenturstatistik zu etwa 70% erfaßt. Es sind die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die im folgenden Erwerbstätige genannt werden. Vollständigere Zahlen pflegen in Deutschland nicht mit Wohn- und Arbeitsort erhoben zu werden. Störend wirkt sich auch der Datenschutz aus. Zwar konnte die Arbeitsagentur für den 25-km-Umkreis um Oberursel sämtliche 54 Gemeindezahlen (Stand: 30.6.13) in puncto Einpendler nach Oberursel mitteilen, hinsichtlich der Auspendler aber bei 18, d.h. 33%, nur Zusammenfassungen. In Anbetracht der großen Gesamtspanne der Zahlen für Z von knapp 10 bis 0,2 nimmt das häufige Fehlen der Auspendlerzahl den bloß einpendlerbasierten Z-Werten nie jeden Erkenntniswert. Denn es handelt sich bei den betroffenen Orten stets um Gemeinden, die im ganzen mehr Auspendler als Einpendler aufweisen. Realistisch sind bei ihnen nur kleinere Einpendlerströme aus Oberursel als die Gegenströme. Meistens dürfte zur Erreichung des kompletten Z-Wertes ein Aufschlag von 10 bis 20% in die richtige Größenordnung führen. Z.B. kommen aus Bad Camberg im Kreis Limburg-Weilburg 48 Pendler und fahren in diesen Landkreis - nach Abzug der Kreisstadt - nur 9. Selbst, wenn alle 9 Bad Camberg zum Ziel hätten, würde das nur eine Erhöhung der Z von 0,56 auf 0,66 bedeuten.
An zwei verschieden großen Kommunen, nämlich Frankfurt am Main und Schmitten, sei zunächst verdeutlicht, wie unterschiedliche absolute Zahlen hinter Z-Ergebnissen stecken können, die gemeinsam nur 1 Stelle vor dem Komma aufweisen. Von Frankfurts 256ooo erwerbstätigen Einwohnern pendeln nur 2770 (gut 1%) nach Oberursel. In dieser Großstadt arbeiten von 515ooo auch nur 5470 (gut 1%) aus Oberursel. Der Anteil (Z) der addierten Pendler an den addierten wohnenden bzw. arbeitenden Erwerbstätigen kann deshalb auch nicht weit von 1 „Prozent“ abweichen. Von Schmittens 3200 Erwerbstätigen pendeln immerhin 270 (ca. 8%) nach Oberursel. In dieser Gemeinde nördlich des Taunuskamms arbeiten von 1300 nur 11 (knapp 1%) aus Oberursel. Der entsprechende Pendleranteil (Z) ergibt einen mittleren Zahlenwert der beiden Prozentzahlen, nämlich gut 6 „Prozent“.
LE | nordwestlich | nordöstlich | südöstlich | südwestlich | ||||
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km | Ortsname | Z | Ortsname | Z | Ortsname | Z | Ortsname | Z |
4 | Taunuskamm | Bad Homburg | 5,71 |
Stadtteile von Frankfurt am Main |
Steinbach | 9,40 | ||
5 | Kronberg | 4,27 | ||||||
6 | Schwalbach | 1,73 | ||||||
7 | Eschborn | 1,88 | ||||||
8 | Friedrichsdorf | 4,63 | ||||||
9 | Bad Soden | 1,50 | ||||||
Königstein | 3,00 | |||||||
Sulzbach | 1,20 | |||||||
11 | Liederbach | 1,22 | ||||||
12 | Wehrheim | 5,89 | Frankfurt a. M. | 1,07 | Kelkheim | 1,12 | ||
Schmitten | 6,14 | Bad Vilbel | 1,26 | |||||
13 | Neu-Anspach | 5,81 | Karben | 1,53 | ||||
Glashütten (w) | >2,23 | |||||||
14 | Rosbach | 2,26 | ||||||
15 | Usingen | 4,47 | Eppstein | >0,65 | ||||
16 | Wöllstadt | >1,43 | Niederdorfelden | 1,09 | Kriftel | 0,68 | ||
Hofheim | >0,67 | |||||||
Hattersheim | 0,55 | |||||||
17 | Waldems (w) | >1,33 | Offenbach a. M. | 0,49 | Kelsterbach | 0,47 | ||
18 | Weilrod | >4,80 | Maintal | 0,49 | ||||
19 | Friedberg | 1,16 | Neu-Isenburg | 0,53 | ||||
Schöneck | >0,83 | Mühlheim | >0,36 | |||||
20 | Niddatal | >1,22 | Niedernhausen | >0,58 | ||||
Nidderau | >0,59 | |||||||
21 | Ober-Mörlen | >1,40 | ||||||
22 | Grävenwiesbach | >4,55 | Bad Nauheim | 0,81 | Dreieich | 0,51 | ||
Heusenstamm | 0,47 | |||||||
23 | Idstein (w) | 0,48 | Bruchköbel | >0,42 | Mörf.-Walldorf | 0,38 | ||
Flörsheim | >0,61 | |||||||
Raunheim | >0,18 | |||||||
24 | Florstadt | >0,74 | Langen | 0,50 | ||||
Obertshausen | >0,36 | |||||||
Hanau | 0,19 | |||||||
25 | Bad Camberg (w) | >0,56 | Reichelsheim | >0,81 |
Im Gesamtergebnis (vgl. die Tabelle) zeigt sich in alle Himmelsrichtungen für Oberursel eine abnehmende arbeitsmarktliche Zusammengehörigkeit (Z) mit zunehmender Entfernung des Relationsortes. Der Unterschied bei 23 bis 25 km gegenüber 11 bis 13 km wirkt sich folgendermaßen aus:
Offensichtlich ist mit dem Usinger Land eine wesentlich stärkere Z (4,5 bis 6) gegeben als in die anderen Richtungen mit 0 bis 2,5. Zu diesen anderen zählt auch die angrenzende Zone der Bundes-straße 8, die mit Glashütten und dem Königsteiner Kreisel erhebliche Verkehrsbehinderungen besitzt. Man bedenke nicht nur hier, daß sich die Berufspendler überwiegend des Autos bedienen, im Durchschnitt außerhalb von Frankfurt und Offenbach zu zwei Dritteln (vgl. Literatur von 2014 zu den Mobilitätskennziffern von 2008).
Obwohl Richtung Frankfurt die Bahnen häufigere Fahrmöglichkeiten bieten, ist die Z mit dieser Großstadt besonders gering. Die Zugverbindungen sind von allen Richtungen auf Frankfurt ausgerichtet, so daß die Großstadt ihre Z auf alle (Stadt-)Gemeinden des Umlandes verteilen muß und für Oberursel nur Z = 1,07 übrig bleibt. Dabei ergibt die Addition von Z-Zahlen keine sinnvolle Summe, weil der Nenner der Formel zur Herstellung vergleichbarer Zahlen in der Größe variiert. Städte, die - von Oberursel aus gesehen - dicht hinter Frankfurt liegen, d.h. Offenbach, Maintal, Neu-Isenburg und Mühlheim, sind aber nur halb so stark (ca. ein halb) auf Oberursel bezogen.
Die Oberursel nächstgelegenen Städte Bad Homburg (Z = 5,7) und Steinbach (Z = 9,4) weisen eine große Z-Differenz auf, obwohl ihre Schwerpunkte etwa gleich weit von Oberursel entfernt liegen; denn Bad Homburgs Stadtteile zeigen im Durchschnitt mehr Distanz. Außerdem ist diese Stadt mehr eine Verkehrsspinne als Steinbach. Kronberg (4,3) und Königstein (3,0) sind arbeitsmarktlich mit Oberursel stärker verbunden als die in Himmelsrichtung und Entfernung ähnlich gelegenen Vortaunusstädte Schwalbach (1,73), Eschborn (1,88) und Bad Soden (1,50). In der Entfernung (7 bis 9 km) vergleichbar befindet sich Friedrichsdorf (4,63), dessen Straßen- und Schienenanbindung an Frankfurt über Oberursel bzw. nur umweghaft über die nördlich gelegene Autobahnanschlußstelle Friedberg führt, so daß die arbeitsmarktliche Verflechtung mit Oberursel relativ stark ausfällt.
Im Gegensatz hierzu stehen die direkter an Frankfurt angebundenen Städte Friedberg und Gießen, die nur Z-Werte von 1,16 bzw. 0,09 mit Oberursel aufweisen. Rosbach (2,26) an der A5 ist mit Oberursel mehr zusammengehörig als das nur umweghaft erreichbare Niederdorfelden (1,09), ähnlich Ober-Mörlen (>1,4) an der A5 gegenüber Niddatal (>1,2), Nidderau (>0,6) und Schöneck (>0,8) mit ihren ungünstigeren Straßenanbindungen. Bad Vilbel (1,26) und Liederbach (1,22) liegen etwa gleich weit entfernt, sind per Autobahn und per Bahn nur mittelmäßig von Oberursel erreichbar und zeigen deshalb fast gleiche Z-Werte.
Die Z-Analyse je mittlere und kleinere Kommune hat bei rund 25 km Luftlinienentfernung von Oberursel ihre mit dem Datenschutz vereinbare Grenze. Mit Zahlen auf Landkreisebene kommt man etwa doppelt so weit. Kreisgebiete, die vom geometrischen Kreis mit 50 km Radius erheblich geschnitten werden, sind Lahn-Dill (Z=0,11), Gießen (0,13), Main-Kinzig (0,23), Landkreis Aschaffenburg (0,08), Stadt Aschaffenburg (0,04), Mainz-Bingen (0,05), Rheingau-Taunus (0,25) und Rhein-Lahn ( <0,1). Dabei zeigt sich die Bedeutung der Lage ihres siedlungsmäßigen Schwerpunktes. Liegt er innerhalb des 50-km-Kreises und keine Großstadt dazwischen, so ist Z größer als 0,1, sonst darunter. Eine Differenzierung von Z nach Himmelsrichtungen bringt beim groben Gebietsraster der politischen Kreise keine signifikanten Unterschiede, ausgenommen die starke Zusammengehörigkeit innerhalb des Hochtaunuskreises.
Definiert man Erwerbstätige auch dann als Pendler, wenn sie auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz keine Gemeindegrenze überqueren müssen, hat Oberursel eine Zusammengehörigkeit mit sich selbst, also eine Selbstbezogenheit, in der Stärke von Z= 23,9, d.h. zweieinhalb mal so stark wie mit der nächst gelegenen Nachbarkommune Steinbach (9,4).
Wollte man errechnen, ob Oberursel oder Bad Homburg eine stärkere Z mit Schmitten aufweist, so müßten die Pendlersummen (Zähler) auf die Summe der in Schmitten wohnenden und der dort arbeitenden Personen (Nenner) bezogen werden. Hätte man zum Ziel, die Z von Oberursel und Schmitten mit der Z von Bad Homburg und Wehrheim zu vergleichen, wäre die multiplikative Erweiterung des Nenners notwendig (vgl. die Bochumer Dissertation). Er sähe im ersten Fall so aus: Die Summe der in Oberursel arbeitenden und der dort wohnenden Erwerbstätigen, multipliziert mit der entsprechenden Schmittener Summe. Im zweiten Fall stünde im Nenner die Summe der in Bad Homburg arbeitenden und der dort wohnenden Erwerbstätigen, multipliziert mit der entsprechenden Wehrheimer Summe.
Hiervon zu unterscheiden sind zur Ermittlung des Verkehrsaufkommens für verkehrsplanerische Zwecke übliche Formeln, die in dieser arbeitsmarktlichen Betrachtung nicht direkt verwendbar sind.