Die Maße der Musikempore in der Oberurseler Christuskirche

Georg Friedrich Dierschke

Die Architekten (Büro Curjel & Moser) der Oberurseler Christuskirche haben den schönen großen Raum des Kircheninneren streng symmetrisch gestaltet. Sie machen damit das übliche vertikale Anordnungsprinzip - ganz oben die himmlische Sphäre der Musik, ganz unten Christi Leib und Blut für den Menschen und dazwischen die gute Botschaft per Predigt - eindrucksvoll deutlich. Die Symmetrie nimmt aber in der Längsachse viel Platz für Altar, Kanzel und große Orgel in Anspruch. Die dem Haupteingang der Kirche gegenübergelegene Musikempore mit ihren rund 11 Meter langen Seitenwänden (Turmseite und Notenzimmerseite) wird in ihrer freien Nutzbarkeit stark verkleinert. Allein die Orgel verkürzt die Emporentiefe um etwa 4 Meter, die Altarinsel mit Kanzel um 2,5 und das Dirigentenpodest um o,8, so daß im mittleren Bereich der Empore nur 3,7 Meter für Chor und Orchester übrigbleiben.

In den beiden wandnahen Bereichen stehen dennoch üppige 9,8 Meter zur Verfügung. Das verleiht dem sichtbaren Grundriß der Musikempore einschließlich der etwas tiefer gelegenen Kanzel die Form eines fliegenden Lebewesens. Man könnte an einen Adler denken. Wegen der prinzipiellen symmetrischen Getrenntaufstellung von Chor und Orchester empfiehlt sich aber mehr der Vergleich mit einem vierflügeligen Schmetterling. Dabei hat der Prediger die Funktion des Kopfes und der Dirigent die Funktion der Brust (des Herzens). Trotz gewisser Sicht- und Akustikprobleme unter den Aktiven läßt sich mit weitgehender Lokalisierung des Chores auf die Vorderflügel und des Orchesters auf die Hinterflügel ein ausgewogener Gesamtklang für den Zuhörer erzielen.

Diese Aufstellung gilt nur für die maximale Nutzung. Die übliche Nutzung und variierbare gegenwärtige Stufung mit Podesten läßt die vier Flügelspitzen frei.

Fotos (2009 bis 2011) G.F. bzw. Ilse Dierschke

Die alten Bauentwürfe im März 1913 - auch der genehmigte - sahen wenig Platz für Instrumentalisten vor. Es ging zu diesem Zeitpunkt noch um möglichst viele Sitzplätze für Gottesdienstteilnehmer.

In späterer Zeit sind verschollene Pläne verwirklicht worden, die nicht nur die drei Meter tiefer gelegene Altarinsel zum Kirchenschiff hin vergrößert, sondern auch die Nutzbarkeit der Musikempore für Orchestermitglieder verbessert haben: Die zwei mal acht kleinen festen Sitzreihen sind entfallen. Die Tiefe der mittleren Bodenstufe ist (wohl für die Streicher) von mindestens 1,4 auf mindestens 1,7 Meter erweitert und die Zugänge vom Treppenhaus bzw. Notenzimmer zu dieser Ebene (Stufe) um 0,8 Meter verschoben. Die zur Orgel hin anschließenden zwei Ebenen sind (wohl für die Bläser) zu einer einzigen mit 1,4 Meter Tiefe zusammengefaßt, die 0,4 Meter unter der Orgelebene endet.

So ist es bei einer schönen Gestaltung geblieben, obwohl nun Orchester und Chor jeweils in mittlerer Größe eingesetzt werden können.

Quellen und Literatur
  • Architekturbüro Curjel & Moser, Bauzeichnungen, Karlsruhe 1913; im Gemeindearchiv der Evangelischen Christuskirchengemeinde in Oberursel 2015
  • Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt sowie
  • Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Karlsruhe sowie
  • Stadtarchiv Oberursel, Auskünfte zur Existenz und Einsehbarkeit weiterer Bauzeichnungen, 2015
  • Georg F. Dierschke, Messungen in der Christuskirche Oberursel (Skizzen 2015)
  • Gabriele Klempert und Hans-Curt Köster, Die Evangelische Christuskirche in Oberursel, König-stein 2014, in der Reihe DIE BLAUEN BÜCHER der Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster Verlagsbuchhandlung KG, Königstein im Taunus